Der MILLION WOMEN’S MARCH in den USA und die Bedeutung für den Feminismus

Am 21. Jänner, einen Tag nach der Angelobung des US-Präsidenten, war ich auf dem Million Women’s March in Washington DC. Er war mit rund 500.000 Teilnehmerinnen (drei Mal so viel wie am Tag zuvor) - fast nur Frauen - und geschätzten 3 bis 4 Millionen im ganzen Land die größte je in den USA stattgefundene Demonstration.Aus der Perspektive einer, die seit fünf Jahren in den USA lebt, möchte ich das Ereignis beschreiben und dann analysieren, auch in Bezug darauf, was das Geschehen für den Feminismus insgesamt bedeutet.

 

Beschreibung

 

Schon in der Früh wurde klar, dass sich ein einzigartiges Ereignis anbahnte. Die U-Bahn war voll mit Frauen in bunten Mützen und mit selbstgemachten Transparenten. Alle warenaufgeregt, und erwartungsvoll.Nahe am Zentrum erfolgte an den Stationen langes Stehen, und zwang mich früher auszusteigen als am angepeilten Treffpunkt. Alle waren erstaunt, dass so viele auf den Straßen sind, ich arbeitete mich langsam vor, blieb aber stecken in den Massen und schaffte es nicht bis zur Redenerinnentribüne. Ich suchte ein vergleichsweise ruhiges Terrain, an dem ich Plakattragende beobachtete und fotografierte und ließ mich dann vom Strom die Pennsylvania Avenue hinauftragen. 

 

Die Transparente sind witzig und wuterfüllt zugleich: „We will overcomb.“, „Keep your tiny hands off my rights“, „Can’t build walls, hands too small“, “There will be hell toupee,” “Things are so bad, even introverts have to protest”, “Pussy grabs back”, “There Is So Much Wrong It Cannot Fit on This Sign”. Keine schreibt den Namen T aus, um nicht auch noch dessen Marke zu fördern.

 

Der Aus- und Aufbruch der Frauen hat mit der Person des Präsidenten zu tun. Die Idee zur Demonstration war aufgekommen, nachdem das notorische Video im Oktober 2016 aufgetaucht war, als er 2005 gegenüber einem Journalisten damit prahlte, dass er Frauen ganz ungeniert sexuell attackiere und diese das auch zulassen würden, weil er berühmt sei. Als er selbst es als reines „locker room talk“ abtat, traten 11 Frauen im Fernsehen auf, die bezeugten, dass dies nicht nur Gerede war, sondern sie tatsächlich von ihm angegriffen worden waren . Auf vielen Schildern, die die Frauen mit sich trugen, zeigte sich die Empörung über den brutalen Sexismus, dem man dem Kandidaten einfach durchgehen ließ und die Ungeheuerlichkeit, so einen Mann nun als Präsident zu haben.

 

So viele junge Frauen standen zusammen mit ihren rosa bis lila Pussyhats, aufgeregt, weil viele von ihnen noch nie auf einer Demonstration waren. Die Stimmung war aufgekratzt, kippte manchmal, weil kein Durchkommen war und klar wurde, dass die Organisation mit der schieren Menge überfordert war. Langsam dämmerte es allen, dass die Demonstration viel grösser war als erwartet und buchstäblich aus allen Nähten platzte. Und dass das riesige Gelände der Mall vor dem Kapitol nicht geöffnet worden war für die Frauen, sondern nur die Seitenstraßen. 

 

Ich staunte über das verspielte Herangehen der Amerikanerinnen. Sie verkleiden sich ohnehin zu allen Anlässen gerne und taten dies auch hier voller Phantasie, mit Kleidung, Transparenten, Hüten, Hauben und kleinen Wägelchen mit Kindern und Schildern in allen Größen. Die europäische Tradition der Märsche am 8. März gibt es in den USA nicht und die letzte Frauendemonstration ist 13 Jahre her, als 2004 während der George W Bush Regierung eine halbe Million für „Women’s und Reproductive Rights“ auf die Straße gegangen waren. Unter die Frauen haben sich auch Männer gemischt, sie waren oft Teil einer Frauen- oder Familiengruppe, manche von ihnen trugen Schilder ganz explizit gegen patriarchale Verhältnisse. Man merkte auch: T ist in einer Stadt, die ihn hasst, in Washington DC und in allen Großstädten schlägt ihm blanke Wut entgegen.

 

Bei den getragenen Statementsging es hauptsächlich um die  sogenannten „Women Issues“: also Abtreibung, gerechter Lohn,sexuelle Belästigung und die „Civil Rights“: also die „Black life matters“ Bewegung (police brutality, mass incarceration, voter suppression), Immigration, „Gay Rights“ und hernach: für Umweltschutz und gegen die erwartete Abschaffung von „Obamacare“, also der Krankenversicherung für alle. Ich habe ein einziges Schild gegen Krieg gesehen „We will not give birth to sons and daughters for war“ und eineszum stattfindenden Wirtschaftsputsch ("Corporate coup d' etat"). 

Und das ist, was ich hörte, als ich mit einzelnen Frauen sprach, die sich allesamt empört und schockiert zeigten:

 

„Wenn die Mehrheit des Kongresses Frauen wären, hätten wir ganz andere politische Zustände“, meinte eine. Viele zeigten einen ungebrochenen Glauben an die repräsentative Demokratie und die amerikanische Verfassung.

 

Eine Frau, die eine rosa Krone der Freiheitsstatue trug, zeigte sich derart pessimistisch, dass T ein Diktator sei, der womöglich nach 4 Jahren sein Amt nicht verlassen würde. Und dass das Auswandern nach Kanada tatsächlich eine Option für sie ist, sie beschäftige sich gerade mit den Einwanderungsbedingungen.

Ich hörte, dass Frauen es zutiefst leid waren, keine Frau an der Spitze des Landes zu sehen wie viele erhofft hatten, und dass gerade die Feministinnen der Zweiten Frauenbewegung fürchteten, das auch nicht mehr zu erleben.

 

 

Ich hörte, dass man Männern einfach alles durchgehen ließe, was bei Frauen undenkbar wäre. Und dass Frauen immer ungleich härter beurteilt würden als Männer. 

 

Ich hörte von den Methoden,jeden Aktivismus in den USA sukzessive zu zerstören seit Vietnam. Die Friedensbewegung, Occupy Wall Street und andere seien entweder purer Polizeigewalt und Kriminalisierung oder der Infiltrierung der Geheimdienste zum Opfer gefallen.

-Und ich hörte, dass das für viele Frauen überhaupt die erste Erfahrung mit politischem Widerstand war.Sie meinten, im Unterschied zu den Europäerinnen/er glauben die Amerikanerinnen/erbis dato kaum, dass sie selbst etwas ändern könnten am System.

-Und ich erinnere mich an die zwei schwarz gekleideten jungen Frauen, ein Schild in Händen, mit dem sie T verfluchten und die Kraft der Hexen beschworen.

 

 

Warum erfasste mich Wut und Trauer, als ich nach Hause kam?

 

Woran lag es nun, dass ich mich nach dem Marsch eher kraftlos und wütend fühlte als energetisiert? Wenn es stimmt, dass es das „sentipensar“ ist, das zu echter Erkenntnis führt, also dass Fühlen und Denken zusammenkommen und damit zur Erkenntnis führen, muss ich mein Bauchgefühl ernst nehmen, dachte ich. Das ist umso schwieriger für mich, bin ich doch als Intellektuelle gewohnt, mich von den Emotionen abzuschneiden und im Kopf zu bleiben, zu analysieren, statt den Unbehagen, Schmerz und Trauer zu fühlen.

 

Da war einmal mein persönliches Umfeld in diesen Tagen. Ich war in einem Haus untergebracht, wo für die primären Bedürfnisse, also Sauberkeit und Verpflegung, nicht gesorgt war. Auch an jenem Morgen morgen, als wir zur Demo aufbrachen, setzte der Gastgeber voraus, dass ich wusste wo der Kaffee sei und wie die Kaffeemaschine funktioniere. Er hatte nur eine Tasse für sich selber gemacht.So sieht es aus, wenn die mütterlichen Qualitäten fehlen und man schon irgendwie unterversorgt das Haus verlässt.

 

Ein übriges tut die allgemeine Verwahrlosung in den USA, was die Kultur des Essen betrifft, wo zu Hause wie im Restaurant fast immer in Form von Plastik und Karton (Becher, Gabel, Messer, Teller) serviert wird und man das Sandwich im Papiersackerl davonträgt.

Und es ist ein schwerer Fehler, wenn man an einem für Frauen so wichtigen Tag nicht Teil einer weiblichen Gemeinschaft ist, sondern sich in der Gesellschaft von Männern aufhält – in meinem Fall der meines Mannes und meines Gastgebers.

 

Und dann der Marsch selbst:

 

Es machte mich traurig, dass ich all diese kleinen Mädchen sehe mit Schildern "I am female. I am the future." oder eine ca. Sechsjährige mit einem Schild "Little Donald, you've been a bad boy. Now go to your room for the next four years." Aber eigentlich ist es natürlich ein Trick. Man will für diese kleinen Mädchen so wenig, wie für die Buben immer schon vorgesehen war. Man will sie abspeisen mit "gleichen Rechten, gleicher Arbeit, gleichem Lohn", diese Karotte hält man Frauen seit den 1970er Jahren vor. 

 

Man will diesen Mädchen den gleichen Kampf zumuten, wie meine Generation und die Generation davor schon ausgefochten hat. Was für eine Verschwendung an Energie, denke ich, die wir Frauen für ganz andere neue revolutionäre Arbeit benötigen würden.

Wenn die Frauen denSexismuseines Präsidenten anprangern, übersehen sie, dass der sich seit langem zu einem riesigen Geschäftszweig von Pornographie und Prostitution gewandelt hat, statt - wie sie vor den Attacken von T glaubten - angeblich verschwunden sei. Kruder Sexismus galt bisher in er politischen Rhetorik als primitiv, altmodisch, als hinter sich zu lassen, eher als Kennzeichen jener Länder, die der Dritten Welt zuzurechnen seien. Dagegen hat sich mit T nur das schmutzige Haupt aus dem Sumpf erhoben, neu, ist der Sexismus nicht, er ist nur unglaublich krude dahergekommen. 

Und dann meinen manche, dass es doch insgesamt besser geworden sei für Frauen. Und ich verstehe, welch großartiger Trick das ist, diese marschierenden Frauen bei der Stange zu halten. Das hat mit der sogenannten Modernisierung des Patriarchats zu tun. Motto: ändere die Sprache und das äußere Erscheinungsbild, dann glauben Frauen, es habe sich tatsächlich etwas geändert.

 

Auf der Straße waren die Überlebenden der Hexenverfolgung, die Überlebenden der Sklaverei und die Überlebenden der mörderischen Verfolgung der Indigenen. Das ist eine Widerspiegelung der Museen, die ringsumin der „Mall“, dem Zentrum Washingtons aneinandergereiht sind, darunter dasNational Museum of the American Indian und das neu eröffneteMuseum of African American History and Culture. Aber sie sind umgeben von den Insignien der Macht, der Oligarchie, der Geschichte Amerikas, die auf Kolonialismus und der Etablierung der Ordnung der Besitzenden beruht. Die Museen, Memorials und Galerien der Präsidenten, in Stein gehauene Prinzipien des Patriarchats, die besagen: Du sollst nicht vergessen, dass diese Ordnung auf Gewalt beruht und auf Kriegen, auf gewaltsamer Aneignung von Land und dass diese Ordnung für immer gilt. 

 

Mir fehlt der naive Glaube der Amerikanerinnen, dass sie eine weibliche Präsidentin retten hätte können, den Glauben an die Verfassung, an Kongress und Senat, oder daran, dass sich die demokratische Partei nur verjüngen müsse, dass die radikalere Basis an die Macht kommen müsse. Oder aber daran, dass Feminismus einfach bedeute, ein anständiger Mensch zu sein, wie ein Journalist behauptete. 

 

Kann meine Wut darüber sein, dass ich sehe, dass täglich gelebte weibliche Gemeinschaft fehlt. Dass deren Energien vielmehr gebunden sind durch das tägliche Versorgen von Männern, sodass sie dieses System weitertragen, das wir gar nicht wollen.

 

Alle am Podium geäußerten Vorschläge zielen auf die Einpassung ins System – also sich überall politisch zu integrieren, aufstellen und wählen lassen, um so - wie die Tea Party, die als Reaktion auf die Wahl von Obama entstanden war vor 8 Jahren - die Etablierten und Moderaten innerhalb der demokratischen Partei durch den radikalen Teil zu ersetzen.

 

Kann es sein, dass die Wut so unermesslich ist, dass sie umschlägt in Trauer, weil Du wieder das Gefühl hast, dass Frauen an vielen einzelnen Punkten ansetzen in ihrer Kritik und sich abzeichnet, dass das wieder verpuffen wird. Dass die „new movement“ wie sie schon genannt wird, vielen nützen wird, nur wieder den Frauen nicht.

 

Die Person des neuen US Präsidenten und der ökonomische und militärische Krieg

 

Die Demokraten, die Bernie Sanders ausmanövriert und Hillary Clinton aufgestellt hatten, sind heute außer sich. Vorgeblich den liberalen Werten verpflichtet erhofften sie sich,mit einem Kurs fortzufahren, den sie nicht als solchen benannten. Nämlich dendauerhaften weltweiten Kriegskurs - die USA haben weltweit über 1.000 Militärstützpunkte und befindet sich derzeit in rund 140 Ländern in offener oder verdeckter kriegerischer Auseinandersetzung - und die ökonomische Weltherrschaft beizubehalten und weiter auszubauen. Seit dem Kalten Krieg wird dieser globale Plan auch „New World Order“ genannt. Sie rechneten mit den Stimmen der Frauen, den Schwarzen, den Jungen und sehen sich nun mit einer riesigen Bewegung konfrontiert, die ihre Kompromisse und besonders ihr Stillhalten gegenüber der Wall Street nicht mehr ertragen kann .Viele unter diesen hatten sich für die sozialdemokratischen Forderungen Bernies (freier Hochschulzugang, allgemeine Krankenkasse etc.) begeistert. 

 

Zur Person des Präsidenten wird schon viel geschrieben und gesagt. Die Verwirrung, die er im Wahlkampf stiftete, beginnt sich angesichts seiner nunmehr zwei Wochen im Amt zu lichten. Er ist einmal ein Millionär, der durch Scheinmanöver und illegale Praktiken zu Geld gekommen ist – er besitzt kaum eigene Gebäude, er least vielmehr den Namen T, bekommt also Geld lediglich dafür, dass seinName auf einem Hotel steht. Auch ist er unzählige Male in Konkurs geraten und prellte zahlreiche Unternehmen.Wenn er beim andauernden dreisten Lügen ertappt wird, wird seine Darstellung „alternative facts“ genannt. 

Er steht für Fracking und ungehemmte Ausbeutung der Natur um an Öl und Gas zu kommen, ob im In- oder Ausland. Er rief im Wahlkampf auf gegen die Wallstreet, und holte selbst die Chefs von Exxon und Goldmann Sachs in sein Kabinett. T hatte versprochen die Infrastruktur auszubauen, nur natürlich hatte er nicht gesagt, dass das wiederum zum riesigen Geschäft der Konzerne und der „Private Equity“werden soll.Seine Amtshandlungen in den ersten zwei Wochen verbreiten Angst und Schrecken. „Shock“ und „awe“ ist die Devise (Klein 2007). Es handelt sich also um nichts weniger als einen Putsch und T erweist sich als „Con Man“der Konzerne.

 

Durch seine Kabinettsernennungen ziehen die Konzerne und die Wallstreet direkt ins Weiße Haus ein, es ist ein Coup, denn nun sind die Politiker, also die Mittelsmänner, endgültig obsolet. Damit hat die neoliberale Globalisierung eine neue Form angenommen, die die Politik ausschaltet. Das politische Prozedere im Kongress wird zur Scheintätigkeit degradiert.

 

Er will Arbeitsplätze nicht mehr abwandern lassen, sondern im Land behalten, um seine Klientel zu bedienen, die nach den verlorenen Arbeitsplätzen der Industrie schreit. Er ist ein Nationalist, der "Arbeit schaffen will", „America first“ ist die Devise. Durch Schikanen zwingt er die Konzerne Jobs in den USA zu belassen, anstatt zu transferieren nach Mexico etc, wie schon geschehen im Falle des größten amerikanischen Klimaanalagenherstellers. Aus diesem Grund ist er gegen das TTIP  und will NAFTA  "neu verhandeln". Er ist also gegen internationale Abkommen aus demselben Grund wie die europäischen Rechten gegen die EU sind. Gegen den Neoliberalismus hat er im Grunde nichts, verspricht er doch gleichzeitig den Konzernen, dass "70% aller Regelungen", die sie bisher am exzessiven Profit hindern konnten , zu eliminieren. 

 

Seine ersten Unterschriften unter die zahllosen berüchtigten „executive orders“ galten nicht nur TTIP, sondern z.B. auch solchen,die die Abtreibung so wirkungsvoll wie möglich zu blockieren sollen (Global Gag Rule), und die South Dakota Keystone Pipeline  durchzusetzen. Er zeigt sich als Mann der extremen Rechten, als Marionette der christlichen Fundamentalisten und der Ideologie der Weißen Vorherrschaft („White supremacy“).

 

Er tritt für Russland ein, weil er mit Putin gemeinsame Interessen an der weilweiten Ausbeutung von Öl und Gas hat und beide vereint sind im Krieg gegen den "Terrorismus". Meine Prognose ist, dass sich der

 

Krieg um die Ressourcen im Nahen Osten verschärfen wird. T sagte ganz offen, dass er ans Öl im Irak und anderswo heranwill, im größeren Stil als die Regierung zuvor. Was die Linke und Rechte verwirrt ist,dass seine Russlandfreundlichkeit ganz der traditionellen amerikanischen antirussischen Ideologie widerspricht. 

Die Kabinette von Obama und Kanadas Pierre Trudeau unterscheiden sich äußerlich sehr, besteht das von T doch praktisch ausschließlich aus weißen Männern.Bei T fällt eben alle liberale Rhetorik einfach weg, es geht ganz ungeniert um die Durchsetzung der neoliberalen Agendavon militärischem und ökonomischen Krieg mit allen Mitteln und in aller derben Direktheit.

 

Und noch ein Wort zu den Medien. Wir sind alle auf sie angewiesen, die Wahrheit kommt allerdings erst im Nachhinein heraus. Woher habe ich also meine Information. Ich verfolge die TV Sender MSNBC, CNN und die Nachrichtensendung Democracy NOW auf FreeSpeech TV, der einzige Sender, der nicht von den Konzernen gesponsert wird. Ich lese die besten Zeitungen des Landes, die NYT und die Washington Post, ich höre das öffentliche Radio NPR und lese die Website www.globalresearch.ca.Außer der letztgenannten kanadischen Website wird nur auf DemocracyNOW - wo z.B. Noam Chomsky und Naomi Klein auftreten - Kritik am Krieg und Neoliberalismus laut. Eine nicht-patriarchale Sichtweise findet sich nirgends. 

 

Meine Analyse oder was bedeutet das für den Feminismus 

 

Warum, frage ich mich, fegen diese Millionen von Frauen in den USA und anderswo das Patriarchat nicht einfach hinweg? „Hear her roar“ stand auf einem Plakat mit Löwinnenkopf. Und es gibt keinen Weg daran vorbei anzuerkennen, dass der Widerstand weiblich ist, nicht männlich. Dass er ohne Führerinnenfigur ist, dass er leidenschaftlich für Gemeinsamkeit eintritt, und gegen ein Aufeinanderhetzen. Er steht auf gegen eine Rhetorik der Ausgrenzung, für die Liebe und gegen den Hass. 

 

Da ist meine Wut wieder über die verpasste Chance, Systemkritik zu üben. So war es ein Riesenaufstand persönlich verletzter Frauen, der amerikanisch schwärmerisch war. Das Problem lag eben darin, dass die Demonstration weder politisch war noch theoriebezogen. 

 

Auf der Tribüne hatten vier Stunden lang Frauen (und drei Männer) das Wort, Prominente und nicht so Prominente, Vertreterinnen aller „communities“ und demokratische Politikerinnen. Die Reden und Transparente zeigten, dass das Ziel der Demonstration unklar war und es vielmehr zu einer Aneinanderreihung verschiedener Themen kam. Da ist das Sprechen von den Women’s Rights und den Reproductive Choices, dann kommen das Anknüpfen an die Civil Rights Movement mit dem Respekt vor den Ethnien (African Americans, Latinos, Indian Natives, American Asians), die Verteidigung der Rechte auf Immigration und der religiösen Freiheit (insbesondere der Muslime) und der sexuellen (Gay Rights), und ganz zuletzt kam die Kritik am Militarismus und Dauerkriegszustand der USA und der neoliberalen Wirtschaft.

 

Die Mütter am Podium kamen vor als Mütter der durch waffentragende weiße Männer ermordeten jungen schwarzen Männer, oder aber als (die verstorbenen) Mütter der Civil Rights Helden, die seit den 60ern hochgehalten werden wie die Suffragetten und Frauen der Zweiten Frauenbewegung nie hochgehalten worden sind. Die Mütter der ermordeten Kinder haben sich mittlerweile zusammengefunden, bieten einander Stütze und wurden zu den stärksten Aktivistinnen gegen die Waffenindustrie.

 

Nur zwei Stimmen der - alten - Generation von Feministinnen waren auf der Demonstration zu vernehmen und keine einzige feministische Stimme war hernach im TV zu sehen. Nur Angela Davis sprach von Patriarchat. Gloria Steinem, eine USIkone der feministischen Bewegung der 1970er Jahre eröffnete den Rednerinnenreigen und erinnerte nicht an die zahlreichen Vorkämpferinnen, sondern vielmehr an Martin Luther King. Kein Wunder, dass auf einem Schild stand: “I Can’t Believe I’m Still Protesting This Shit“. Und - wie eine amerikanische Feministin aus jener Zeit ernüchtert feststellte - hatte die Zweite Frauenbewegung die Frauen selbst betrogen, indem “liberation had become assumption of dominant cultural male values.” (Lucia Chiavola Birnbaum 2013). Also die Erkenntnis, daß den Frauen seit den 1970er Jahren nichts anderes angeboten worden ist, als die Anpassung ans System.

Was, so frage ich mich, hindert die Frauen daran, einen radikalen Wandel zu fordern?

 

Das Diversity Konzept und die Abschaffung der Frauen

 

Da ist einmal das Problem der – besonders in den USA üblichen - politischen und akademischen Implementierung des Diversity Konzeptes, das im Prinzip die Forderungen des Feminismus ersetzt hat. Dabei geht es um die Beseitigung der Benachteiligung von Menschen aufgrund von Geschlecht, Rasse, Religion etc. Tatsächlich hat es sich in der Praxis als Sichtbarmachung von Minderheiten herausgestellt, die stark marginalisiert waren und sind. Auch auf dem Podium anlässlich des Frauenmarsches folgte man jenem Konzept, „to make all voices heard“.

 

Es wird klar, dass die Einführung des Diversity-Diskurses in der Praxis nun aber die seltsamsten Blüten treibt. Die anfänglich nur weißen Frauen, die den Marsch zu organisieren begannen, wurden schnell aufgefordert, auch schwarze und muslimische Frauen und Frauen lateinamerikanischer Herkunft zu integrieren, was dazu führte, dass drei Musliminnen auftraten, die alle tiefst verschleiert waren und zu Respekt und Würde aufforderten für die Marginalisierten. Ihre Aufmachung verdeutlichte aber, dass sie selbst keineswegs einem „befreiten Frauenbild“ entsprachen. 

 

Die andere Problematik dreht sich um die Abschaffung der Frau. Z.B. versuchen diesich als weibliche Teilnehmerinnen gerierendenTransgender-Männer alles, um die Definition dessen, was eine Frau ist, zu untergraben. Manche Frauen insistieren, Frau sei nur, wer einen Uterus habe. Aber das lenkt nur vom wirklichen Problem ab. Unbemerkt von vielen und unter dem Deckmantel der Toleranz läuft die Selbstabschaffung der Frauen, die sich nun nicht mehr als solche benennen sollen. So wie auch die Bezeichnung als Mutter verschwinden soll. Eingeführt wird derzeit die Sprachregelung von den „schwangeren Menschen“ (z.B. British Medical Association). Damit wird die technische Ersetzung der Mutter (durch Maschinen, Surrogatmütter etc.) als Normalität eingeführt und erhält obendrein einen moralisch legitimen Anstrich. Die vielen Experimente der Reproduktionstechnologie signalisieren, dass das Frau-sein beliebig wird und jederzeit durch (Techno, Mediziner)Männer beseitigt bzw. durch männliche Kreationen ersetzt werden kann.

 

All diese Tendenzen, die sich auch auf der Frauendemo manifestiert haben, nehmen dem „Frauenmarsch“die politisch einigende Kraft.

 

„Für wen sind diese Frauen eigentlich marschiert“, fragt sich dann auch die New York Times 3 Tage später. Und ich erkenne, dass die Frauen, wären sie eine einheitliche politische Kraft,die Revolution hier und jetzt verkörpern hätten können. Stattdessen führte sie die Frage der „richtigen Präsenz“ in ermüdende Einzeldarstellungen aller Gruppen, die alle Respekt und Würde einforderten – und dabei stehenblieben. Ironischerweise vereint die Identitätsdiskussion eben nicht, sondern sie dividiert auseinander. Die Sorge um Identität hat die Fragen um Krieg und neoliberale Wirtschaft und generell Politik völlig ausgeblendet. Die Diversity Diskussion hat ganze Arbeit geleistet, dass der Feminismus keinen Schritt vorwärtskommt. 

 

 

Die linken Männer

 

Die Linken Männer tun ein übriges, das revolutionäre Potential des Frauenmarsches zu unterminieren. Sie sind überall, im TV und den Printmedien. Sie spielen die Bedeutung herunter, dass die organisierenden Frauen derart viele andere Frauen mobilisieren konnten. Und dass hier keine Minderheit am Aufschreien ist, sondern die Mehrheit der Bevölkerung. 

Es waren drei Männer am Podium und einer von ihnen mit der klaren Intention, das für seinen Aktivismus zu nutzen. Schnell rief er alle auf, konkrete Aktionen zu starten, ohne auch nur zu versuchen darauf einzugehen, dass er hier vor ausschließlich Frauen stand. Immerhin wurde seine lange Rede rüde von Ashley Judd (sehenswert auf youtube!) unterbrochen, mit dem Statement „I am a feminist“ und einem Monolog zu "I am a nasty woman". 

Was genau das Matriarchale an der Organisation der Podiumsreden war, nämlich keine Hierarchien an Frauen zu errichten und eine lange Liste von Rednerinnen zu haben, die ungeachtet ihrer Prominenz gleich lang zu Wort kamen, erweist sich im Patriarchat als fatal. Männer wollen Führer/innen sehen, und wenn keine greifbar sind, setzen sich sofort die Männer durch, da spielt kein Links oder Rechts eine Rolle. 

 

Deswegen waren diese sofort auf allen Sendern und Zeitungen präsent. Sie eignen sich die Themen an, degradieren die „Frauensache“ zu einer Art „Sexismus-Problem einer Minderheit“. Linke Männer setzen sich auch kaum mit Frauenforschung und Feminismus auseinander. Sie sind im Prinzip daran interessiert, das Thema für sich zu reklamieren und haben grundsätzlich selbst nichts einzuwenden gegen die Grundprinzipien des Patriarchats.

In einem großen Artikel zum Women’s March der „Time - The Resistance Rises. How a March becomes a Movement“ (6.Februar 2017) wurde das „Women’s“ im March überhaupt gestrichen und der einzige Mensch, der zur Demonstration interviewt wurde, warein linker Mann. 

 

Matriarchale Elemente

 

Dabei war die Demonstration selbst ein riesiges Statement der Frauen und zeigte den puren Antagonismus zwischen der patriarchalen Welt, die T repräsentiert und einem nicht-patriarchalen Weltbild, das das Leben bejaht und den Spaß daran, und die Würde und Respekt vor allem Lebendigen, ob Mensch oder Natur. Die Abstimmung mit den Füssen fand hier realiter statt, alle Frauen im Land waren auch aufgerufen worden, an diesem Tag in den Streik zu treten. 

Der Widerstand, zeigt sich, ist weiblich, Frauen stehen auf, um sich gegen Attacken gegen sie zu wehren, sie stehen aber auch auf für andere, z.B. dann, wenn es pauschal gegen „gefährliche Immigranten/innen“ geht, wie der diktatorische Erlass von T vom 27.1. zeigte. Das wird am riesigen Anteil von Frauen ersichtlich, die derzeit in den USA gegen den „Muslim ban“ Sturm laufen. Und sie stehen auch auf als Generalstaatsanwältin (deren Widerstand zur sofortigen Entlassung führte), als Aktivistin, als Journalistin. 

 

Die spielerische und freudvolle Weise, wie Frauen auf den Straßen unterwegs sind, können wir als matriarchal, im Sinne von nicht-herrschaftlich, nicht-hierarchisch und ohne Kalkül bezeichnen. Auch daß nicht Führerinnen in den Vordergrund gestellt werden, passt zum matriarchalen Prinzip. Heute noch matriarchal lebende Gesellschaften geben uns Modelle vor, wie anders die Welt verstanden werden kann (Göttner-Abendroth 2012). Deren soziales, politisches und ökonomisches Leben bewegt sich entlang „mütterlicher Prinzipien“, d.h. entlang der ursprünglichen Bedeutung des Wortes, nämlich „mater - arche“, also „am Anfang die Mutter“. Diese Gesellschaften „wissen“ nichts von den Grundlagen unserer Zivilisation, nämlich Ausbeutung von Mensch und Natur, Krieg und Wettbewerb und Hierarchien.

 

 

Patriarchatskritik

 

Motto ist also mittlerweile, man müsse eben inzwischen die Spielregeln der „Diversity“ einhalten, dann kann man die patriarchalen Strukturen ruhig beibehalten. Und wenn die Bürgerrechte und Frauen- rechte berücksichtigt werden, kann man also im Prinzip zur Tagesordnung, sprich (in den USA) zu einem/r demokratischen Präsidenten/in übergehen. Und die fortschreitende Abschaffung der Frau/Mutter gilt als notwendiges und zu akzeptierendes Charakteristikum des Fortschritts. Hier rächt sich, wie theorielos das ganze Unterfangen ist.

Das wahre Problem wurde also nicht benannt. Statt einer persönlichen Abrechnung mit dem Präsidenten hätte es massiver Systemkritik bedurft. Rassismus, Sexismus, Islamophobie, Fremdenhass, Umweltzerstörung entstammen nämlich dem gleichen Denken und dem gleichen „System“. Wir kommen also nicht darum herum, systemisch und politisch zu denken, um dem Phänomen beizukommen, das die Frauen wirklich auf die Straßen trieb. 

Dem Körper der Frauen Gewalt anzudrohen ist Teil der gewalttätigen Verhältnisse, durch die das Patriarchat gekennzeichnet ist. Ohne Patriarchatskritik (Claudia von Werlhof 2015) verstehen wir nicht, wie die politische, ökonomischeund die persönliche Verletzung körperlicher Integrität zusammengehören. 

Da eine große Begriffsverwirrung zu Patriarchat stattfindet, hier eine Erklärung: 

Nach der Lateinisch-Griechischen ursprünglichen Bedeutung von „Pater-arche“ bedeutet es die Herrschaft des Vaters mit folgenden Charakteristika: starke Hierarchien (z.B. in Politik und Konzernen); das Prinzip des Teile und Herrsche (lass Menschen sich nicht vereinen); Ausbeutung von Menschen und Natur gilt als legitim (z.B. Arbeitsverhältnisse in den Sweatshops, weltweite Förderung fossiler Energien); Ablehnung jeder Art von Verantwortlichkeit für Menschen oder Natur; Freiheit für wenige und nicht für alle;Fortschritt wird verstanden als Höherentwicklung des Menschen, trotz aller Gegenbeweise (Zunahme von Kriegen, Zunahme von sozialer Ungerechtigkeit); Akzeptanz von Gewalt; Krieg gilt als akzeptables Mittel eigene Interessen durchzusetzen; Umkehr aller ethischen Werte – Krieg gilt als gut, Friede(nsbewegte) als gefährlich; und schließlichdas Gebären von Kindern durch Mütter hat keinen Wert, während technische Erfindungen (z.B. die Leihmutter) als echte Kreativität gilt. 

 

Ausblick

Der Frauenmarsch war für mich das notwenige Erlebnis einer geradezu körperlichen Krise, um zu verstehen, was vor sich geht, woran es hapert und in welche Richtung die Frauenbewegung gehen muss. So berechtigt es für Frauen ist, sich gegen die Verletzung ihrer Würde aufzulehnen, so notwendig ist es, Patriarchat als System der systematischen Gewaltausübung und der Transformierung der Welt in eine künstliche, die nur vermeintlich Befreiung verspricht, zu sehen. Und dagegen ist als politische Kraft und in radikaler Weise vorzugehen, statt in diesem System einen Platz zu finden suchen.

„Because they took place at the men's table instead of shuttering it.“ (Sherri Mitchell 2016).

 

Deutlich wurde aber auch, dass dies der Anfang einer neuen Bewegung ist. Die Frauen sind nicht mehr zum Schweigen zu bringen.

 

 

Gedicht von Annie Finch

( Im Erschienen in: Dispatches Editions – Resist Much / Obey Little, Inaugural Poems to the Resistance)

 

THE WOMEN ARE MOVING AT LAST

 

I awaken

In perfection.

All around me

Women are marching.

In our pink hats,

We are marching.

We are marching

In our despair.

With breasts bare,

We are marching.

In our own places

We march.

At last the women are moving.

For our lives and our planet, we move.

Out of our feelings and blessings,

Out of our urges and thoughts,

Out of our sensations, our knowledge, our anger,

And finally

In

Our righteousness

We march.

At last the women are moving!

At last the women are moving.

The women are moving at last.

We march outward.

Inward we march.

Towards each other we march.

Towards them, with them, and for them, also,

We march.

From the beauty of our mothers we march,

With our yonis we march.

With our freedom we march.

In our wisdom we march,

In our pain.

In our knowledge we march.

For our daughters we march.

For our lovers, our brothers and sons, we march.

In the power of the Goddess, we march.

We march on.

Out of everything ready, we march.

For ourselves in the future, we march.

In our sleep and

Our waking,

We march

(At last the women are moving),

 

March on.

 

 

 

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Literatur

  • Chiavola Birnbaum, Lucia.  2013. The Future has an Ancient Heart. Legacy of Caring, Sharing, Healing, and Vision from the Primordial African Meditarrenean to Occupy Everywhere. Bloomington, IN: Universe. 
  • Göttner-Abendroth, Heide.  2012. Matriarchal Societies: Indigenous Cultures across the Globe. Frankfurt a.M. et al. Peter Lang.
  • Klein, Naomi.  2007. Die Schock Strategie. Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus. Frankfurt am Main: Fischer. 
  • Mitchell, Sherri.  2016. Ritual, Tradition and Feminine Intuition among the Wabanaki of Maine and the Canadian Maritimes. Vortrag an der Association for the Study of Women and Mythology. Boston, April 1-2.
  • Swanson, David.  2016. War is a lie. Charlottsville, VA: Just World Books.
  • Time. Vick, Karl.  6. Februar 2017. The Resistance Rises. How a March becomes a Movement, S. 24-33.
  • Werlhof, Claudia von.  2015. Ausflug in die Kritische Patriarchatstheorie: Die moderne Zivilisation und ihre fünf Basisverhältnisse – aus der Perspektive der Alchemiethese. In: Bumerang. Zeitschrift für Patriarchatskritik, Vol. 0, 9-52. http://fipaz.at/bumerang/ (Zugriffsadtum: 3.2.2017)

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